Der Heimatdichter vom Fliedersee:
Franz-Günther von Goisenberg

(13.5.1787 - 17.11.1868)

 

Franz-Günther von Goisenberg wurde 1787 im Schweizerischen Säuliamt geboren. Lebensmittelpunkt des umtriebigen und weltoffenen Künstlers war das Bauerndorf Hedingen.

Besonders der Fliedersee lag ihm sehr am Herzen, entsprechend häufig kommt er in seinen Versen und Büchern vor. 1868 verstarb Goisenberg, die Trockenlegung seines Lieblingsees brach ihm vermutlich das Herz.

Als Heimatdichter ging Franz-Günther von Goisenberg in die Geschichtsbücher ein. Nur wenige wissen heute noch von dem imposanten literarischen Gesamtkunstwerk, das Goisenberg der Welt hinterlassen hat.


 

Einer seiner bekanntesten Verse entstand 1837:

 

Ein See



Ein See, so klar, wunderbar.

Das Wasser frisch, oh ich, 

wäre ich doch der Molch.

In der Tiefe, blau, so ruhig.

Gern komm' ich her,

glücklich ich dann geh,

mein Fliedersee.



Franz-Günther von Goisenberg


 

Typisch Goisenberg:

1817 entstand sein eigenwilliges Selbstporträt: Gezeichnet mit Kohle und retuschiert mit Fliederseewasser.

In den späteren Jahren entwickelte sich Goisenberg immer mehr weg vom helvetischen Realismus hin zur Prä-Avantgarde. Und wurde dadurch ein früher Vordenker des erst viel späteren Dadaismus. Hier eines seiner letzten Werke, entstanden 1866:

 

Fliedermann


sein,
unbetroffen, stetig flankierend,
Windmühle.
Was ist Karat im heutigen Pontsch?
Televerrat?
Kaum sträusslich in die Seelen,
oder doch?
Gertrud, Frau von Tannern,
am See, wo weilt,
Heute ist!
Fliedermann


Franz-Günther von Goisenberg 



Helene von Tannern, eine Ahne von Goisenbergs guter Bekannten Gertrud von Tannern, schrieb uns folgende Zeilen:

In meiner nächtlichen Unruhe des nicht wiederkehrenden Schlafes trösteten mich die tiefsten Worte von Franz-Günther.

In meinen Recherchen in den Büchern meiner geliebten Vorahnen habe ich folgende Worte des Hedingers Heimatdichters gefunden.


Still

Gebrochenes Herz
Ach, wär ich da
Einst
Wiederkehrender Schmerz
Erst Vergeht
Beim Wiedersehen
Mein Fliederseen
Gestillt
Stillt
Still


Franz-Günther von Goisenberg


Holzskulptur "Fliedermann" vor Fliedersee-Windspiel


Aus dem Tagebuch von Goisenberg:


Montag 21. März, Knonau

Mit entschlossenem Schritt wanderte ich in Richtung Fliedersee. Im Moment befand ich mich im Wald bei Knonau. Irgendwie verspürte ich den Drang zurückzukehren. Ich wusste nicht warum, doch ich folgte meinem Herzen. Also hatte ich meine Sachen gepackt, um in das Dorf Hedingen zu wandern. Die Blätter rauschten im Wind und ich genoss das herrliche Sonnenlicht, welches durch das Blätterdach sickerte. Ich lauschte den Stimmen der Vögel. Wie schön sie sangen! Ein Anlass um mich nieder zu lassen und meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Mit der Feder in der Hand und dem Tintenfass, welches ich immer dabei hatte, begann ich zu schreiben.

Vogel Federtier
Dein Gesang
Mein Herz
Ach könnte ich doch fliegen
Mich in die Lüfte erheben
Stolz

Befreit setzte ich meine Reise fort. Am Abend erreichte ich Mettmenstetten. Dort übernachtete ich in einer Gaststätte.


Dienstag 22. März, Mettmenstetten

Mit einem Gähnen öffnete ich das kleine Fenster und blickte auf den Innenhof der Gaststätte. Von unten konnte ich schon das Frühstück riechen. Schlurfend ging ich zum Esssaal und setzte mich an den freien Tisch. Die Wirtin brachte mir ein Stück Brot und einen Krug Wasser. Gierig verspeiste ich das Gebäck und machte mich auf den Weg. Nach einer Weile wanderte ich entlang schöner Felder und Wiesen. Das Grün leuchtete und wiegte im Wind. Bei Sonnenhoch legte ich eine Pause ein und trank einen Schluck des kalten Wassers.

Wasser
Flüssig, tropft, erfrischend
Blaue Fläche
Mein Ort
Leben
Wasser

Plötzlich schreckte ich hoch. Ich hatte die Zeit völlig vergessen. Mit schnellem Schritt setzte ich meine Reise fort. Als es eindunkelte erreichte ich einen kleinen Schuppen im Wald. Dort verbrachte ich die Nacht.


Mittwoch 23. März, Mettmenstetten

Mit den ersten Sonnenstrahlen wachte ich auf. Verschlafen rieb ich mir die Augen. Heute musste ich unbedingt das Dorf Affoltern am Albis erreichen. Es liegt auf dem selben Hügelzug wie Hedingen. Aus meinen alten Büchern weiss ich, dass hier früher ein Gletscher war. Mit entschlossenen Schritten ging ich durch den Wald. Die Luft ist angenehm kühl und es blies ein sanfter Winde. Bald erreichte ich einen Bach, aus welchem ich trank.

Bach
Lustig, hüpfend
Glitzernd
Weg, Reise
Ende?
Rauschen
Bach

Nach dem erfrischenden Schluck Quellwasser lief ich weiter Richtung Affoltern. Auf dem steinigen Feldweg begegnete ich einer Kutsche. Zwei wunderschöne braune Pferde waren angespannt. Das Fell glänzte in der heissen Mittagssonne. Der Kutscher grüsste mich mit seinem Hut. “Wohin des Weges? Wieder auf Wanderschaft?“. „Nach alter Heimat seh'n ich mich, deshalb frag ich dich an Ort und Stell: Kann ich sie begleiten und ihre fabelhaften Tiere leiten?“. „Jawohl mein Herr, Ihre Gesellschaft freut mich sehr.“ 

So schwang ich mich auf den Kutschbock und die holprige Fahrt begann. Die Sonne war schon beinahe untergegangen, als ich die ersten Häuser des Dorfes Affoltern sehen konnte. „So, hier muss ich sie verlassen!“ „Also, sie können runter steigen. Adieu mein Herr und viel Glück auf ihrem weiteren Lebensstück.“ „Hab dank!“ 

Bei einem alten Bekannten konnte ich übernachten. Schon jetzt freute ich mich auf den morgigen Tag.


Donnerstag 24. März, Affoltern

Am frühen Morgen brach ich auf zur alten Heimat. Mit stetigem Schritt marschierte ich den Hügel hinunter, von welchem man schon in der Ferne die schimmernde Oberfläche erkennen konnte.


Morgenluft mir entgegen schlägt. 

Das Zwitschern der Vögel vermischt mit dem Sausen des Windes. 

Ein Fuchs verzweifelt einer Maus nachhetzt und mich in herrliches Lachen versetzt.

Gegen Mittag erreichte ich eine kleine Senke, in welcher sich eine Handvoll Häuser befand. Nach einer kurzen Rast ohne Hast blickte ich auf den Kompass und folgte meinem Ziel, welches mich magisch anzog. Nach einigen Metern kam ich an einem kleinen Lädelchen vorbei. Der süsse Duft von Früchten lockte mich in das Innere. Ich konnte nicht wiederstehen und so biss ich wenige Minuten später in das saftige Fruchtfleisch eines Apfels.

Apfel
Süss
Rot, grün, gelb
Rettend, leuchtend, saftig
Mmmmhhhh

Diese Erfrischung gab mir die Kraft, weiter über den steinigen Weg zu wandern. Als sich der Himmel rot färbte, erreichte ich den Hedinger Ortseingang. Mit letzter Kraft schleppte ich mich in Richtung meines Ziels.



Freitag 25. März, Hedingen

Das Plätschern des Wassers weckte mich aus meinem herrlichen Schlaf. Mein Herz machte einen Sprung, als ich den orange schimmernden See erblickte. Endlich hatte ich mein Ziel erreicht. Die lange Reise hatte sich gelohnt.

Meine Seele füllt sich mit deiner Kraft
Dein kühles Wasser mich erfrischt
Wie sehr habe ich dich vermisst
Mir wird klar, was Herrlichkeit ist und war
Was ich seh und sah
Fliedersee




Kernjung

 

Kernjung, gern - und hoffnungsfroh

Lebensmitte?

Gebraucht, tauglich, täglich, möglich

Zart geboren, und jetzt?

Frühlingsduft – Sommerbrise –

Herbststurm - Schneetreiben:

Je fünf Dutzend, und Sonne

Genügen, Vergnügen

Zusammenglück - Freudmoment

Zeit heilt, Zeit eilt

Was bleibt?

Einfach sechzig.



Franz-Günther von Goisenberg



Goisenbergs spätere Jahre, vor allem die 1860er Jahre, sind klar geprägt vom Pre-Dadaismus. Hier einige Zitate aus seinem Spätwerk "Mein kleines Nachtgeschirr":



Einfach sechzig

Einfach sechzig, warum es nicht?
Immer wieder und doch so froh, ein Stier noch keinen Sommer macht.


Franz-Günther von Goisenberg



Geburtstag

Ein Geburtstag ist.

Trotzig freut sich trotzdem wir.

Wünsche noch so viele schon gesagt.

Jubel über Deine Wäscheleine.


Franz-Günther von Goisenberg


Fragment aus „Eine Schmetterlingsträne“
Frühwerk von Franz-Günther von Goisenberg:


Das Bächlein;
welche holde Freude,
überspringend und neckisch,
es sprudelt in quickender Fröhlichkeit
dem spitzbübischen angetan,
überquirlend, entgurgelnd,
erperlstrahlend,
tröpffrischelnd,
quellzirpelnd,
erzischendverprillend,
zerstäubend,
erfrischend,
das Bächlein
bist Du.

 

Goisenberg Festspiele 


Immer wieder fragen sich die Literatur-Fachwelt und intensive Kenner von Goisenbergs Werken, wann endlich das grossartige Vermächtnis Goisenbergs in würdiger Form geehrt und vor grossem Publikum aufgeführt werden kann. Darum existiert die Idee, dies in Form von Goisenberg-Festspielen zu realisieren. Dazu laufen Gespräche mit verschiedene Seebühnen und Festspielorten. Auch eine Aufführung am Ufer des Fliedersees steht zur Diskussion.

Als Vorgeschmack sei hier ein Ausschnitt aus Goisenbergs einzigem von ihm verfassten Theaterstück zitiert. Es war lange verschollen und wurde bei Grabungen in der Nähe des Fliedersees vor wenigen Jahren entdeckt. Noch ist unklar, welcher Schaffensepoche Goisenbergs es zugeordnet werden kann. Und doch spricht daraus das Selbstbewusstsein eines jungen Mannes, denn die Hauptrolle gibt sich Goisenberg gleich selber:



Welch löblich Sachtmut

 

In einem kleinen Dorf. Mitten in der Helvetischen Republik. Benannt nach einem Ritter, der hier einst seine Burg erbaute. Die Morgensonne allgemach das frische Gras glimmen lässt. Die Kirchenglocken schallen über das Tal. Ein honetter Herr verlässt das Gasthaus.

 

Auftritt Goisenberg: 

"Ach, welch herrlich Sonne leuchtet. Glimmend und glummend gestrahlet. Mein Gemüt des wohlig in die Lüfte säuselt und bräuselt. Ist es nicht tunlich ratsam sich der schmucken Darbietung hinzugeben? Frischauf!"

 

Goisenberg schreitet entschlossen Richtung See: 

"Wo man auch hinblickt, nichts als Händel und Kämpe. Napoleon in aller Munde, selbständig wir doch sein wollen. Nieder mit den ridikülen Gespinstern. Verbollwerken! Schiefmäulig dieses Gehabe."

 

Goisenberg wütend seine Faust in die Höhe streckt: 

"Weiland wars besser. Weiland wars besser. Doch was nützts? Obsiegen wir nun einmal nicht. Noch nicht. Konjizieren soll er uns als ergeben. Und dann, in tiefer Nacht. Ha!"

 

Goisenberg das Ufer erreicht: 

"Frappieren tuts mich ihrer Anblick! Welch löblich Sachtmut ihr entgegenbringt! Des Augenwassers mich berührt. Holdselig honorabel gewisslich ihr seid. Vorbild des Menschen ihr dienen solltet. Fürderhin die Welt sähe anders aus. Frappierend würds. Die Pflänzlein würden lachen. Daselbst an diesem Orte ich stand. Als Jüngling, nun des Spiegels mich eines Besseren belehrt. Anverwandeln sich mir die Züge des Lebens. Allda noch glatte Haut sich jetzt das Lächeln in helvetische Alpen legt. Allenthalben! Grossjährig ich jetzt bin. Doch von innen ja noch das gleiche bin. Des Sees mich wahrlich zauberisch verjüngt."

 

Goisenberg sich auf die Knie lässt: 

"Ein Tropfen ihres edlen Körpers. Welch zartsinnige Erkenntnis. Treulich ihr meine düsteren Gedanken obsiegt. Leichtlich ich des Beines schwinge, wenn ich des Rückweges kehre. Erheischen tu ich euch, doch ihr des stillen erduldet. Anheischigt ihr euch den aller? Welch Galanterie! Fatigant es nie mit auch wird. Ehrenfest. Meines Anfuhrt."

 

Goisenberg sich erhebt und des sehnsüchtigen Blickes wendet. Ein letztes Mal des Tages des Anblick ergötzet und sich erquickt des Rückweges wendet.